Der Regisseur über den Film

Chandani und Elefantenherde

Ich habe Chandani, Sunamabanda und ihre Familie vom Beginn unserer Recherchen im April 2006 bis zum Ende unserer Dreharbeiten im Oktober 2008 mit der Kamera begleitet. Vom ersten Augenblick an hat mich ihre Offenherzigkeit und ihre ganz besondere Verbindung zu Elefanten fasziniert.

„Von allen Tieren ist der Elefant dem Menschen am nächsten“ erklärte mir Sunamabanda gleich zu Beginn. Der legendäre Mahout bringt damit treffend die Faszination auf den Punkt, die wir Menschen seit jeher für die grauen Riesen hegen. Alles mögliche projizieren wir Menschen in die Elefanten hinein, wir sind fasziniert von ihrem geradezu „menschlichen“ Sozialverhalten, ihren engen familiären Bindungen und ihr angeblich ewig zurückreichendes Gedächtnis auch für emotionale Momente. Den Menschen auf Sri Lanka ist das sehr bewusst und die Bedeutung der Elefanten ist weit mehr als zoologischer Natur. In Sri Lanka sind Elefanten ein elementarer Bestandteil von Kultur und Religion des Landes.

Unser Ziel war es einen Dokumentarfilm für Kinder zu drehen, der diese spezielle Beziehung zwischen Mensch und Elefant am Beispiel von Chandani, ihrer Familie und ihres kleinen Elefanten Kandula deutlich macht. Wir waren mit einem vierköpfigen Team aus Deutschland unterwegs, aus Sri Lanka stießen Übersetzer, Aufnahmeleiter und Fahrer dazu. Gedreht wurde auf HD Cam, die Drehorte waren Pinawella und der Nationalpark in Uda Walawe. Zum Glück hatte ich mit Marcus Winterbauer den denkbar besten Kameramann für dieses Projekt an meiner Seite. Er hat diese besondere Geschichte in dieser wunderschönen Umgebung in ganz besonderen Bildern eingefangen.

Dass Kandula ein aus dem Nationalpark „entwendeter“ Elefant ist, erfuhren auch wir nur zufällig und erst im Verlauf der Dreharbeiten und es lag nahe, auch diesen Teil der Geschichte in unserem Film zu erzählen, macht er doch den in Sri Lanka seit langem herrschenden Konflikt deutlich, zwischen denen, die die Elefanten in ihrer natürlichen Umgebung schützen und denen, die sie als Arbeits- und Tempelelefanten ausbilden und nutzen.

Das Resultat ist ein dokumentarischer Kinderfilm. „Ist das denn überhaupt ein Dokumentarfilm?“ – werden wir bisweilen gefragt, weil Chandanis Geschichte so direkt und szenisch erzählt ist. Doch, „Chandani“ ist sehr wohl ein Dokumentarfilm. Natürlich ist unser Film keine nur beobachtende Dokumentation und so liegen Dramaturgie und Bildsprache des Filmes auch manchmal auf der Schwelle zwischen Dokumentation und Fiktion, so wie es bei anderen Dokumentarfilmen – z.B. beim „Weinenden Kamel“ – auch schon war. Verstärkt wird dieser Effekt sicher auch durch die teilweise synchronisierte deutsche Tonfassung. Untertitel kamen für einen Kinderfilm nicht in Frage und so wagten wir mit Stephan Colli das Experiment eines halb synchronisierten Dokumentarfilmes für Kinder.

Chandani hat übrigens inzwischen ihr Abitur gemacht und ist die erste in ihrer Familie, der ein so hoher Schulabschluß gelungen ist. Nach einem Praktikum im Nationalpark überlegt sie nun in Kolombo Tiermedizin zu studieren. Sie möchte als Tierärztin mit Elefanten arbeiten und ihnen helfen, indem sie die über Generationen weitergegebenen Kenntnisse der aryurvedischen Tiermedizin mit den neuesten Erkenntnissen der Schulmedizin verbindet.

„Chandani und ihr Elefant“ erzählt die Geschichte einer heranwachsenden jungen Frau und ihrer Liebe zu den Elefanten. Ihre Geschichte handelt auch von der Entscheidung, wie wir mit unseren tierischen „Nachbarn“ und unserer Umwelt umgehen wollen. In Sri Lanka und anderswo.

Arne Birkenstock
Köln im April 2010

Realfiction Filme
Jumbo Spiele
Deutscher Filmpreis LOLA 2011 Bester Kinderfilm
Impressum